25 Jahre Schwalbenhaus

von Dr. Tim Mattern (April 2016)

Mehlschwalben kleben ihre Nester aus Lehm eigentlich an die Wände von Gebäuden. Auch mal an Brücken und selten auch an Fährschiffe, natürlicherweise ursprünglich an Felsen. In Krofdorf-Gleiberg können die Schwalben nun schon seit 25 Jahren Nester an einer speziell für sie geschaffenen Konstruktion nutzen: Das Schwalbenhaus in der Schieferstraße wurde am 11. April 1991 aufgestellt. Auf einem ausgedienten Ampelmast befinden sich Simse mit künstlichen und natürlichen Nestern unter einem Dach.

 

„Damals war es als Ersatzquartier gedacht, denn mit dem Umbau des Feuerwehrgerätehauses entfielen mehrere Brutplätze“, berichtet Hans-Richard Wegener, Vorsitzender des NABU Krofdorf-Gleiberg. Ideengeber war seinerzeit Günter Schlierbach, der in Aalen in Baden-Württemberg das heute nicht mehr existierende „Ur-Schwalbenhaus“ fotografiert hatte.

Der findige Bastler Reinhold Stork baute zusammen mit Schlierbach in seiner Garage das Schwalbenhaus nach. Damit wurde eine erstaunliche Erfolgsgeschichte eingeleitet. Denn somit ist der Ortsname Krofdorf-Gleiberg in einschlägigen Kreisen nicht nur im Zusammenhang mit Musik und Motoren aus vergangenen Zeiten über hessische und deutsche Grenzen hinaus bekannt – sondern eben auch in Sachen Schwalbenschutz.

 

 

Nachdem das Schwalbenhaus ab 1992 von den Vögeln besiedelt wurde und diese neben den Kunstnestern auch eigene dazu bauten, sprach sich die Idee herum. Denn somit könnte man ja – geeignete Standorte vorausgesetzt – auch anderswo Ersatzquartiere anbieten. Beispielsweise bei Umbauten und Fassadensanierungen, aber auch weil die Schwalben nicht überall beliebt sind: Aus den Nestern kleckert das herab, was die Jungtiere bei ihrer Verdauung übrig lassen. Verständlicherweise ist das bei dem einen oder anderen Hausbesitzer nicht so gerne gesehen. Abgesehen von Baumaßnahmen ist das auch ein Grund, warum Nester von Schwalben entfernt werden – nicht immer legal. So stand Stork anfragenden NABU-Gruppen mit Rat und Tat zur Seite, beriet zur Standortfindung und baute zuhause auch weitere Schwalbenhäuser. Alsbald wuchs die Zahl der Anfragen und das Amt für Bodenmanagement sah Möglichkeiten, Schwalbenhäuser bei Dorferneuerungen zu fördern. Das Amt beauftragte Oliver Wegener aus Krofdorf-Gleiberg mit der Erstellung einer Broschüre, und bald stieg der selbstständige Unternehmer auch in Bau und Vermarktung dieser Nisthilfen ein. Aus der Flurbereinigung für die Umgehungsstraße wurde ein zweites Schwalbenhaus für Krofdorf finanziert. Mit der professionelleren Herstellung entlastete Wegener somit auch das Ehrenamt. Denn der im Dorf liebevoll als „Schwalbenvater“ bekannte Reinhold Stork kümmert sich nicht nur um „sein“ Schwalbenhaus. An privaten und öffentlichen Gebäuden in Krofdorf-Gleiberg berät und hilft er, wo er kann. Da werden kleine Kolonien mit Nisthilfen ergänzt, Kotbretter angebracht und einiges mehr. Nicht nur die Schwalben sind dem Praktiker ans Herz gewachsen: Landschaftspflege, das Naturschutzgebiet Holzwäldchen, Amphibienschutz, Nisthilfen für andere Singvögel, Steinkauz und Schleiereule betreibt und betreut er. Bei seinen Einsätzen für die Natur ist er oft mit dem kleinen orangefarbenen NABU-Traktor unterwegs.

 

Das Schwalbenhaus hat mittlerweile unzählige Nachahmer gefunden. Nicht nur in Hessen gibt es mittlerweile hunderte, auch bundesweit und in Nachbarländern sind die Konstruktionen zu finden, sogar in Seattle (USA) wurde eines gebaut.

 

Genauere Daten als zur Anzahl der Schwalbenhäuser gibt es aber zur Anzahl der Brutpaare. Jährlich hat Stork gezählt, wie viele Nester besetzt waren. In dem Vierteljahrhundert summieren sich die Brutpaare auf 1285! „Im Durchschnitt werden bei der ersten Brut vier, bei der zweiten Brut drei Eier von den Schwalbeneltern bebrütet – überschlägig ergibt das fast 9000 junge Mehlschwalben“, rechnet Stork vor. Nicht alle sind flügge geworden, und der geringste Teil dürfte nach der Überwinterung in Afrika wieder nach Krofdorf zurückgekehrt sein und gebrütet haben. Aber dennoch: Ohne die intensiven Schutzmaßnahmen an Gebäuden und die beiden Schwalbenhäuser wäre die Mehlschwalbe wohl auch im Gleiberger Land auf dem absteigenden Ast.

Das Schwalbenhaus in der Schieferstraße im Jahr 2016

Weitere Informationen zum Schwalbenschutz finden Sie auf der gleichnamigen Webseite